..hat so ihre Tücken.
Da man als Wissenschaft betreibende Person stehts danach bemessen wird, was und vor allem wo man publiziert (Stichwort: Impact factor), werden natürlich auch relativ viel qualitativ minderwertige Manuskripte eingereicht und irgendwann auch veröffentlicht. Mit qualitativ minderwertig meine ich nicht sprachlich oder von der Idee her (obwohl das auch vorkommt), sondern ich meine das wirklich wissenschaftlich.
Ein Beispiel dafür, dass mir zuletzt in die Hände fiel, ist ein Paper erschienen in Archives of Environmental Contamination and Toxicology, einem Journal, das sich vornehmlich Schwermetallbelastungen und anthropogenen Verbindungen in der Umwelt widmet. Dort haben zuletzt Kollegen ein Paper publiziert, dass es in sich zu haben scheint.
Der Titel: „Effects of Activated Bt Transgene Products (Cry1Ab, Cry3Bb) on Immature Stages of the Ladybird Adalia bipunctata in Laboratory Ecotoxicity Testing“
„Hossa!“ sagt man da als in diesem Bereich seit einigen Jahren tätiger Wissenschaftler. Haben da Kollegen tatsächlich in reproduzierbaren, kontrollierten Laborexperimenten einen Beweis dafür gefunden, dass ein bei uns häufiger Marienkäfer (der Zweipunkt) von den beiden Bt-Proteinen Cry1Ab und Cry3Bb1 geschädigt wird? Liest man das Paper durch, wird man allerdings enttäuscht, denn es tuen sich eine Reihe von Mängeln auf:
1. Die Konzentration der verwendeten Bt-Protein Lösungen wurde nicht wirklich geprüft, sondern sich darauf verlassen, dass man von anderen Kollegen das bekam, was man wollte. Es wurde lediglich qualitativ geprüft (also ob die Proteine überhaupt drin sind), aber nicht quantitativ, also wieviel wirklich drin ist. Das ist natürlich ein himmelweiter Unterschied.
Aber ignorieren wir das mal und gehen davon aus, dass die angegebenen Konzentrationen stimmen.
2. Sie haben die Lösung der Bt-Proteine auf die zur Nahrung angebotenen Insekteneier aufgesprüht, schreiben aber nicht wieviel der Lösung dabei verwendet wurde. Das ist so ziemlich der gravierendste Fehler in dieser Studie.
Denn so kann man a) weder das Experiment wiederholen, was gerade bei Laborexperimenten total wichtig ist (bei Freilandversuchen, wie wir sie betreiben, ist das ja ohnehin nicht möglich), und man zudem b) keine Dosis-Effekt-Beziehung aufstellen.
Das heisst: da man nicht weiss, welcher Käfer nun wieviel von dem Bt-Protein zu sich genommen hat, kann man auch nicht sagen, wie die Tatsache, dass er nachher vielleicht gestorben ist, mit dieser unbekannten Dosis zusammenhängt. Somit haben wir also ganze Gruppen von Käfern, die eine unbekannte Menge Bt-Protein zu sich genommen haben. Wobei aber nicht klar ist, ob das jetzt zwischen den Gruppen unterschiedlich war, und wenn ja wieviel, und auch nicht, wie groß die Unterschiede innerhalb der Gruppe also zwischen den Individuen eigentlich waren.
Bitter, sehr bitter.
Es kann daher also auch nicht verwundern, dass Schmidt et al. keinerlei Dosis-Effekt-Beziehung finden konnten: Stattdessen sind die Mortalitätsraten (also die Sterblichkeitsraten der Käfer während des Versuchs), sehr unterschiedlich. Sie scheinen zwar scheinbar mit steigender Bt-Konzentration an, bei den höchsten Konzentrationen fallen sie allerdings wieder ab.Komisch sowas.Verwunderlich sind auch noch die Mortalitätsraten in den Kontrollen. Für jedes der beiden Bt-Proteine gab es jeweils eine Gruppe von Käfern, die Nullkommanichts an Bt-Protein erhielten. Nur die Lösung, in der die Proteine verdünnt waren. Das ist richtig so gemacht, und wichtig.
Merkwürdig sind aber die Unterschiede zwischen diesen Kontrollen und einer weiteren Versuchsreihe: neben den Bt-Proteinen haben die Kollegen noch eine Lösung verwendet, in der der Expressionsvektor der zur Produktion der Proteine verwendet worden war, in unterschiedlich hoher Konzentration vorlag. Dieser Vektor sollte als mögliche Ursache für die Sterblichkeit der Käfer ausgeschlossen werden. Gut und schön, wobei ich nie auf die Idee käme, von einem Stückchen DNA einen Einfluss auf die Sterblichkeit zu erwarten, schließlich konsumieren alle heterotrophen Organismen (solche also, die andere Organismen aufessen) ständig und seit Jahrmillionen DNA. Aber wie dem sei.
Auf jeden Fall tritt folgendes auf und ich komme zu Punkt 3:
Bei allen Konzentrationen des Expressionsvektors (auch der Nullkommanichts Kontrolle) liegt die Sterblichkeit der Käfer bei etwa der Hälfte oder weniger von der, die bei den Nullkommanichts Kontrollen der Bt-Protein Versuchsreihen auftrat.
Na brat mir doch nen Storch.
Da wird also nichts anderes gemacht, als ein und dieselbe Pufferlösung zu verwenden, und dann gibts es Schwankungen in der Mortalität um den Faktor 2? Also 100% mehr? Sehr merkwürdig.
Als weitere Fehler fallen in der letzten Tabelle einige Werte auf, mit der die Autoren wahrscheinlich die Bedeutung ihrer Arbeit aufhübschen wollten.
Dort wird mit Verweis auf die Konzentration von Bt-Protein in Maispollen argumentiert, dass Marienkäfer in der freien Wildbahn durchaus vergleichbare Konzentrationen dieser Bt-Proteine aufnehmen, wie in der Studie verwendet wurde.
Dumm nur, dass wir wie oben geschrieben gar nicht wissen, wieviel Bt-Protein überhaupt konsumiert wurde. Wir wissen nicht mal, wieviel Futter die Käferlarven konsumiert haben, wobei das eigentlich noch ein weiterer schwerer methodischer Fehler ist. Schließlich ist die Menge an aufgenommenem Futter wichtig für die Entwicklung der Larven und etwaige Unterschiede können einiges bewirken. Aber gut…
Dumm nur, dass die angegebenen Werte total übertrieben sind. Bei MON810, der einzigen in der EU zugelassenen gentechnisch veränderten Linie, sind es maximal 90 ng/g. In der Tabelle liest man einen Wert, der bei einem tausendfachen der realen Werte liegt, und offensichtlich für das Blattmaterial von MON810 gilt, aber nicht für Pollen.
Für einen anderen Mais finden sich ähnliche Fehler.
Alles in allem: so, wie es nicht sein soll.Ich warte nur darauf, dass Greenpeace und Co. das an die große Glocken hängen. Dann werden wieder Diskussionen losbrechen…
Jörg E. U. Schmidt, Cora U. Braun, Lisa P. Whitehouse, Angelika Hilbeck (2008). Effects of Activated Bt Transgene Products (Cry1Ab, Cry3Bb) on Immature Stages of the Ladybird Adalia bipunctata in Laboratory Ecotoxicity Testing Archives of Environmental Contamination and Toxicology, 56 (2), 221-228 DOI: 10.1007/s00244-008-9191-9